Glücksspiel kann elektrisieren, den Puls hochtreiben und Momente schenken, in denen die Zeit kurz stillzustehen scheint. Doch inmitten dieser Anziehungskraft lauert eine Schattenseite, die für viele zur bitteren Realität wird.
Spielsucht ist kein Randphänomen, sondern ein ernstzunehmendes Problem, das nicht nur Bankkonten, sondern auch Existenzen leerräumen kann. Um dieser Gefahr zu begegnen, wurde in Deutschland ein Instrument geschaffen, das vor sich selbst schützen soll: die Spielersperre im OASIS-System. Klingt nach einem wirksamen Schutzschild, aber ist es das wirklich?
Von der Theorie zur Praxis
OASIS, kurz für „Onlineabfrage Spielerstatus“, ist so etwas wie das zentrale Stoppschild des legalen Glücksspiels in Deutschland. Wer darin registriert ist, darf weder an Spielautomaten in der Spielhalle noch an Online-Pokerturnieren oder Sportwetten teilnehmen, zumindest nicht bei Anbietern, die eine deutsche Lizenz besitzen. Das System ist bundesweit aktiv und deckt alle relevanten Spielformen ab, vom virtuellen Automaten bis zur staatlich konzessionierten Spielbank. Träger des Ganzen ist das Land Hessen, vertreten durch das Regierungspräsidium Darmstadt. Dort laufen die Fäden zusammen: Eintragungen, Prüfungen, Aufhebungen. Alles wird zentral gesteuert. Es gibt zwei Arten von Sperren. Die Selbstsperre wird von der betroffenen Person beantragt und hat eine Mindestlaufzeit von drei Monaten. Die Fremdsperre hingegen kann von Angehörigen, Anbietern oder Behörden veranlasst werden, wenn ein eindeutiges Gefährdungspotenzial erkennbar ist. Hier liegt die Mindestdauer bei zwölf Monaten. Eine Sperre endet nicht automatisch. Wer wieder spielen möchte, muss einen schriftlichen Antrag stellen und nachweisen, dass die Mindestdauer abgelaufen ist. Erst dann prüft die Behörde, ob die Aufhebung möglich ist. Im laufenden Betrieb läuft es so: Anbieter müssen vor Spielbeginn Name und Geburtsdatum in das System eingeben, OASIS gibt dann den Status zurück – gesperrt oder nicht gesperrt. Bei „gesperrt“ ist der Anbieter verpflichtet, den Zugang zu verweigern.Zahlen, die für sich sprechen
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass OASIS keineswegs im Dornröschenschlaf liegt. Im Jahr 2024 wurden rund fünf Milliarden Abfragen durchgeführt, was im Monatsdurchschnitt etwa 425 Millionen Überprüfungen bedeutet. Anfang 2025 waren rund 307.000 aktive Sperren registriert, im März desselben Jahres schon mehr als 318.000. Die Tendenz ist steigend. Bemerkenswert ist auch die Verteilung: Ein erheblicher Teil der Einträge stammt aus Fremdsperren, die von Anbietern oder Angehörigen initiiert wurden. Das deutet darauf hin, dass nicht nur Menschen mit akutem Problembewusstsein das System nutzen, sondern auch das Umfeld eingreift, wenn die Lage eskaliert. Die hohe Zahl an Abfragen lässt vermuten, dass die meisten Anbieter ihrer Pflicht zur Überprüfung nachkommen. Gleichzeitig bleibt die Frage, wie viel diese Zahlen über die tatsächliche Wirksamkeit im Kampf gegen Spielsucht aussagen. Denn Statistiken verraten nicht, wie oft gesperrte Spieler den Weg zu nicht lizenzierten Plattformen finden oder ob eine Sperre langfristig Rückfälle verhindert. In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff Freiheit beim Spielen in Casinos ohne OASIS. Gemeint ist damit die Teilnahme an Angeboten, die nicht an das deutsche Sperrsystem angebunden sind. Solche Plattformen werden aus unterschiedlichen Gründen genutzt, etwa wegen anderer Spielbedingungen oder fehlender Zugangsbeschränkungen. Gleichzeitig entfällt dabei die Kontrolle durch OASIS, wodurch Verantwortung und Ablauf vollständig in den Händen des jeweiligen Anbieters und des Spielers liegen.Wenn der Schutz versagt
So solide die Theorie klingt, die Praxis kennt ihre Brüche. Ein besonders aufsehenerregender Fall machte Schlagzeilen: Ein Spieler verlor bei einem großen Anbieter trotz bestehender OASIS-Sperre einen fünfstelligen Betrag. Hier scheint die Pflichtabfrage entweder nicht stattgefunden zu haben oder es gab Fehler in der Identitätsprüfung. Auch technische Schwachstellen können den Schutz unterlaufen. Wenn ein Anbieter zwar eine Abfrage durchführt, aber die Kundendaten nicht sauber verifiziert, kann es passieren, dass gesperrte Spieler einfach durchrutschen. Hinzu kommt die größte Lücke im System: illegale oder im Ausland lizenzierte Online-Casinos. Diese sind nicht an OASIS angebunden und lassen sich mit wenigen Klicks erreichen. Wer entschlossen genug ist, kann die Sperre so leicht umgehen. Dazu kommen alltägliche Tricks wie die Nutzung fremder Daten oder Mehrfachkonten. Solange Identitätsprüfungen nicht lückenlos und in Echtzeit erfolgen, bleibt Raum für Missbrauch. Hier entscheidet die Konsequenz der Anbieter über die tatsächliche Schutzwirkung und genau an diesem Punkt gibt es offenbar Nachholbedarf.Handelt es sich um Selbstschutz oder Symbolpolitik?
Deutschland steht mit diesem Modell nicht allein da. In Großbritannien gibt es mit „GAMSTOP“ ein vergleichbares System, das ebenfalls auf eine zentrale Sperrdatei setzt. Die Sperrdauern sind dort festgelegt, etwa sechs Monate, ein Jahr oder fünf Jahre. Eine Fremdsperre gibt es nicht, stattdessen basiert alles auf freiwilliger Anmeldung. Andere Länder berichten von steigenden Registrierungszahlen, doch auch dort zeigt sich das gleiche Grundproblem: Nationale Sperrsysteme stoßen an ihre Grenzen, sobald der Markt ins Internet wandert und Anbieter außerhalb der eigenen Jurisdiktion ins Spiel kommen. Selbst das strengste Register nützt wenig, wenn parallel unregulierte Plattformen mit ein paar Mausklicks erreichbar sind.Regulierung mit Biss
Auf dem Papier ist OASIS ein starkes Instrument. Es gilt bundesweit, erfasst alle relevanten Spielformen und ist technisch so aufgebaut, dass eine Teilnahme gesperrter Personen verhindert werden kann. Die Zahl der Registrierungen steigt stetig, und die Marktanbindung ist breit. Doch diese Stärken verblassen, wenn Anbieter ihre Pflichten nicht konsequent erfüllen oder wenn Spieler auf illegale Märkte ausweichen. Die Achillesferse ist nicht die Technik an sich, sondern der Vollzug. Selbst einzelne Versäumnisse können das Vertrauen in die Regulierung untergraben. Für mehr Biss braucht es strengere und geprüfte Abfrageprotokolle, verpflichtende Identitätsprüfungen mit Dokumenten- oder biometrischem Abgleich und harte Sanktionen bei Pflichtverletzungen. Parallel dazu müsste der Zugang zu nicht lizenzierten Anbietern stärker erschwert werden, etwa durch Payment-Blocking oder gezieltes Abschalten von Domains. Ebenso wichtig wäre, die Sperre als Option sichtbarer zu machen, verbunden mit niedrigschwelligen Hilfsangeboten.