Es klingt dystopisch: Die Technologie, die verspricht, Prozesse effizienter zu gestalten, Ressourcen zu schonen und sogar beim Kampf gegen den Klimawandel zu helfen, frisst sich klammheimlich selbst durch gewaltige Energiemengen. Die Rede ist von Künstlicher Intelligenz, genauer gesagt von den digitalen Großhirnen, die Texte schreiben, Bilder generieren, Kundendaten analysieren oder Börsenkurse prognostizieren.
Was auf den ersten Blick unsichtbar scheint, hat auf globaler Ebene handfeste Folgen. Denn der Stromverbrauch moderner KI-Anwendungen kratzt längst nicht mehr nur an der energetischen Nebenkostenabrechnung, sondern hat das Potenzial, die Klimabilanz der Digitalisierung in eine fatale Richtung zu kippen.
Wie groß fällt der Stromhunger der Künstlichen Intelligenz inzwischen aus
So unspektakulär eine Textausgabe aus einem Sprachmodell aussehen mag, im Hintergrund passiert Schwerstarbeit. Die Eingabe eines Prompts löst ein komplexes Rechenwerk aus, bei dem eine Vielzahl von Prozessoren parallel arbeiten und enorme Datenmengen verschieben. Es ist kein Vergleich zu Online-Konferenzen oder Games wie Book of Ra, bei denen auch Energie aufgewandt wird, aber viel weniger.Eine einzelne Anfrage an ein großes Sprachmodell wie ChatGPT verbraucht etwa zehnmal so viel Energie wie eine klassische Google-Suche. Die Dimensionen werden dann greifbar, wenn man sich bewusst macht, dass Milliarden dieser Anfragen tagtäglich stattfinden.Im Zentrum des Problems steht das Training dieser Modelle. Um ein System wie GPT-4 oder dessen Nachfolger leistungsfähig zu machen, braucht es riesige Datenmengen und auch tagelange Rechenoperationen auf Tausenden von Hochleistungs-Grafikprozessoren. Das Training eines einzigen Modells kann mehrere hundert Megawattstunden Strom verschlingen, eine Größenordnung, mit der ein mittelgroßer Haushalt über Jahrzehnte versorgt werden könnte. Doch damit endet der Energiebedarf keineswegs. Auch nach dem Training bleibt die KI hungrig. Jedes Mal, wenn ein Text erzeugt oder ein Bild generiert wird, greifen die Systeme auf ihre neuronalen Netzwerke zu.
Rechenzentren als Knotenpunkte
Die digitalen Tempel der Rechenleistung stehen meist unscheinbar am Rande von Städten oder in Industriegebieten, bewacht von Sicherheitsdiensten, umgeben von Kühlaggregaten. Dort, wo riesige Serverfarmen arbeiten, wird die Künstliche Intelligenz Realität und zur Belastungsprobe für die Energieinfrastruktur.Rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in einem Rechenzentrum fließen in die Rechentechnik selbst. Ein ähnlich großer Anteil wird für die Kühlung benötigt, denn was die Server leisten, bringt sie an thermische Grenzen. Je mehr Anfragen, je größer die Modelle, desto heißer wird es und desto mehr muss gekühlt werden.Der Standort des Rechenzentrums entscheidet ebenfalls über die Klimabilanz. Wird es mit Strom aus Kohle- oder Gaskraftwerken betrieben, fällt die Umweltbilanz besonders negativ aus. In Regionen mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien hingegen lässt sich der ökologische Fußabdruck wenigstens etwas abfedern. Doch das Grundproblem bleibt bestehen, je weiter die KI-Verbreitung voranschreitet, desto größer die energetische Last.
Wachstum mit Nebenwirkungen – warum der KI-Boom zum Klima-Dilemma wird
Der Siegeszug der Künstlichen Intelligenz kennt derzeit nur eine Richtung, und zwar steil nach oben. Größere Modelle, präzisere Ergebnisse, mehr Einsatzbereiche von der medizinischen Diagnose über die juristische Fallanalyse bis zur selbststeuernden Verkehrsüberwachung, doch mit jedem weiteren Anwendungsfeld und jeder zusätzlichen Funktion wächst auch der Ressourcenverbrauch. Was heute in Sekunden auf dem Smartphone erscheint, wurde vorher auf gigantischen Servern berechnet.Genau an dieser Stelle entsteht ein Dilemma. Die Rechenleistung wächst nicht linear, sondern exponentiell. Ein Modell mit doppelter Größe benötigt nicht doppelt so viel Energie, sondern ein Vielfaches. Kombiniert mit der rasant steigenden Nachfrage nach KI-gestützten Diensten ergibt sich eine Rechnung, bei der die Umwelt allzu oft den Kürzeren zieht.Der technologische Wettlauf lässt kaum Raum für Verschnaufpausen. Technologische Größe wird zum Statussymbol, Effizienz zum Nebenschauplatz. Nachhaltigkeit spielt bisher lediglich eine Nebenrolle. Die Folge ist ein digitaler Fortschritt auf ökologisch wackeligen Beinen.
Unterschiedliche Anwendungen, unterschiedliche Bilanzen
Nicht jede Künstliche Intelligenz besitzt denselben Energiehunger, denn Sprachmodelle wie GPT sind zwar stromintensiv, doch im Verhältnis zu bildgenerierenden Systemen wie DALL·E oder Midjourney meist noch etwas sparsamer. Letztere müssen riesige Datenmengen verarbeiten, um realistische Bilder zu erzeugen und das geht ins Strombudget. Auch Empfehlungssysteme in Streamingplattformen oder Online-Shops gelten als stille Energiezehrer. Sie laufen nicht punktuell, sondern permanent. Die Server analysieren, bewerten und sortieren in Echtzeit, ganz ohne Pause. Nutzer merken davon nichts, die Umwelt hingegen schon. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der Struktur der Modelle. Große Allzweck-KIs sind deutlich stromhungriger als kleinere, spezialisierte Varianten. Während ein universelles Modell für jede Aufgabe von Grund auf neu rechnet, können kleinere Systeme gezielt auf bestimmte Bereiche trainiert werden. Der Verzicht auf maximale Vielseitigkeit spart Energie, vorausgesetzt, der Einsatzzweck ist klar definiert.
Umweltproblem und Hoffnungsträger – wo KI nachhaltig wirken kann
So paradox es klingt, dieselbe Technologie, die durch ihren Stromverbrauch zur Klimabelastung beiträgt, bietet zugleich das Potenzial, Emissionen zu reduzieren. In intelligenten Stromnetzen sorgt sie dafür, dass erneuerbare Energien effizienter genutzt werden können. In der Industrie hilft sie, Maschinen optimal auszulasten oder Produktionsprozesse energieärmer zu gestalten. Selbst in der Landwirtschaft ermöglicht sie präzisere Bewässerung und gezieltere Schädlingsbekämpfung.Dieser doppelte Effekt wirft zwangsläufig die Frage auf, ob der eigene Energieverbrauch der KI durch die Einsparungen an anderer Stelle aufgewogen werden kann. Solange verlässliche Bilanzen fehlen, bleibt diese Frage offen und schwer zu beantworten.
Technologische Fortschritte und politische Stellschrauben
Der Weg zu einer klimaverträglicheren KI ist bereits skizziert. Technische Lösungen gibt es, sie müssen nur konsequent umgesetzt werden. Effizientere Chips, durchdachte Algorithmen und Rechenzentren, die auf erneuerbare Energien setzen, bilden den Anfang. Große Konzerne wie Google investieren zusätzlich in alternative Energiequellen, darunter sogar Mini-Atomkraftwerke zur stabilen Versorgung ihrer Serveranlagen. Auch politisch bewegt sich etwas. In Deutschland etwa sollen neue Rechenzentren ab 2027 CO₂-neutral betrieben werden. Förderprogramme und gesetzliche Vorgaben könnten einen dringend nötigen Richtungswechsel einleiten.Nachhaltigkeit beginnt im Kleinen
Nicht zuletzt ist auch das eigene Verhalten entscheidend. Jede KI-generierte Antwort, jedes digital gezeichnete Bild, jede automatisierte Empfehlung benötigt Energie. Die Prozesse laufen unsichtbar im Hintergrund, doch ihre Wirkung auf die Umwelt ist real.Ein bewussterer Umgang mit digitalen Tools kann bereits einen Unterschied machen.Wer Prompts gezielter formuliert, Modelle sinnvoll auswählt und nicht jede Spielerei ausprobiert, reduziert indirekt den Strombedarf. Vielleicht braucht nicht jede App ein KI-Feature, nicht jede Anwendung den vollen Leistungsumfang. Manchmal entsteht Fortschritt auch dadurch, dass man sich für das Notwendige entscheidet.